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Gesellschaftsrecht Virtuelle Gesellschafterversammlung der GmbH: gesetzliche Regelung erleichtert vieles, Gesellschaftsvertrag dennoch wichtig

Die Corona-Pandemie hat auch im Gesellschaftsrecht Spuren hinterlassen. Denn als Versammlungen pandemiebedingt nicht stattfinden durften, geriet das Gesellschaftsrecht – auch das GmbH-Recht! – an Grenzen und so unter Veränderungsdruck. Denn das GmbH-Recht sah bisher vor, dass Gesellschafter persönlich zusammenkommen müssen, um als Gesellschafterversammlung Beschlüsse fassen zu können.

Diese gesetzliche Regelung wurde nun angepasst. Einerseits, um für Situationen in Zukunft gewappnet zu sein, in denen Präsenzversammlungen nicht möglich sind. Andererseits, um auch Gesellschaftern die Teilnahme zu ermöglichen, die zu weit entfernt vom Versammlungsort leben bzw. nicht in der Lage sind, persönlich anzureisen.

Bisherige Regelung der Beschlussfassung: Präsenz

Gesellschafterversammlungen waren bis zu Beginn der Corona-Pandemie nur möglich, wenn sich die Gesellschafter persönlich an einem Ort trafen. Damit war auch die Gesellschafterversammlung der GmbH klassisch als Präsenzversammlung vorgesehen. Im GmbH-Gesetz (GmbHG) selbst gab es bis dato keine gesetzliche Grundlage für „virtuelle“ Gesellschafterversammlungen – die Digitalisierung hatte schlichtweg noch nicht Einzug ins GmbH-Recht gehalten. Nur im Gesellschaftsvertrag konnten GmbHs vom Grundsatz der Präsenzversammlung abweichen und virtuelle Gesellschafterversammlungen zulassen.

Mit den Versammlungsverboten während der Corona-Pandemie wurde das für GmbHs zum Problem, die bisher keine Regelung zur virtuellen Gesellschafterversammlung getroffen hatten und während der Hochphase der Pandemie nicht in der Lage waren, die Satzung mit den für die Satzungsänderung notwendigen 75 % der Stimmen (§ 53 Abs. 2 GmbHG) anzupassen.

Zwar sorgte der Gesetzgeber kurzfristig dafür, dass Beschlüsse ohne Präsenzversammlung im Umlaufverfahren von einer einfachen Mehrheit gefasst werden konnten. Die Regelung galt allerdings nur bis Anfang August 2022. Seitdem ist das Umlaufverfahren als Abstimmungsvariante nur noch möglich, wenn sich alle Gesellschafter (einstimmig) damit einverstanden erklären.

Grundlage für Beschlussfassung außerhalb von Präsenzversammlungen im GmbHG  

Um mit der Zeit zu gehen und virtuelle Beschlussfassungen künftig zu erleichtern, wurde das GmbH-Gesetz deswegen mit Auslaufen der vorübergehenden Pandemie-Regelungen angepasst. Seitdem sieht § 48 Absatz 1 GmbHG vor, dass virtuelle Gesellschafterversammlungen unabhängig von Regelungen in der GmbH-Satzung möglich sind, also auch in „fernmündlich“ (Telefonkonferenz) bzw. mithilfe von Videokommunikation stattfinden können.

Und doch hat die gesetzliche Regelung einen Haken: alle Gesellschafter müssen mit einer solchen virtuellen Gesellschafterversammlung einverstanden sein (Einstimmigkeit!). Das kann zu einer hohen Hürde werden, selbst wenn die Zustimmung auch per E-Mail mitgeteilt werden kann.

Präsenzversammlung, virtuelle Gesellschafterversammlung oder hybrid?

Findet eine virtuelle Gesellschafterversammlung statt, verzichtet man „lediglich“ auf die physische gleichzeitige Anwesenheit der Gesellschafter. Die gleichzeitige Teilnahme über Telefonkonferenz oder Videokonferenz bleibt notwendig. Aber muss man sich nun zwingend zwischen Präsenzversammlung oder virtueller Versammlung entscheiden?

Nein, denn es ist auch möglich, die Formen der Versammlung zu kombinieren, also Gesellschafter einer Präsenzversammlung virtuell hinzuzuschalten. Das macht künftig die Gestaltung der Gesellschafterversammlung theoretisch relativ flexibel, weil der Gesellschaft von Gesetzes wegen nun grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten der Gestaltung zur Verfügung stehen.

Individuelle Regelungen im Gesellschaftsvertrag sinnvoll

Das GmbH-Gesetz kennt nun zwar eine Regelung zur virtuellen Gesellschafterversammlung, die auch direkt anwendbar ist. Und doch ist es – wie so oft im Gesellschaftsrecht – sinnvoll, auch für die virtuelle Gesellschafterversammlung individuelle Regelungen im Gesellschaftsvertrag zu treffen.

Hier gilt es einerseits zunächst zu prüfen, ob der Gesellschaftsvertrag bisher eventuell nicht mit der neuen Gesetzeslage in Einklang steht und angepasst werden sollte. Finden sich keine Regelungen zur virtuellen Gesellschafterversammlung, ist es vor allem sinnvoll, bei einer Abstimmung über das „Ob“ einer virtuellen oder hybriden Gesellschafterversammlung eine einfache Mehrheit – wie für die meisten Beschlüsse der GmbH – ausreichen zu lassen. Und auch Details zur Einladung und Durchführung sollte man dann aufnehmen, damit sich der Fehlerteufel auf diesem Neuland nicht zu schnell einschleicht und zum Beispiel im Hinblick auf Diskussionen eine ähnliche Situation geschaffen werden kann wie bei einer Präsenzversammlung.

Neuerungen für Gesellschaftsversammlungen: ein längst überfälliger Schritt 

Es ist ein großer Fortschritt, dass gesetzliche Möglichkeiten geschaffen wurden, Gesellschafterversammlungen unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel virtuell oder hybrid stattfinden zu lassen: nicht jeder Gesellschafter muss mehr weite Anreisen in Kauf nehmen, um sein Stimmrecht auszuüben – auch unter Effizienz- und Nachhaltigkeitsaspekten ist das sinnvoll. Gleichzeitig ermöglichen virtuelle und hybride Versammlungen Personen, die nicht anreisen wollen oder können, ihr Stimmrecht auszuüben. Die Anpassung des GmbHG in diesem Punkt macht damit das GmbH-Recht flexibler, nachhaltiger und demokratischer. Ein guter und wichtiger Schritt!

Und doch wird es in Zukunft darauf ankommen, dass Gesellschaften sich zunächst darüber Gedanken machen, wie sie in Zukunft ganz konkret ihre Gesellschafterversammlungen abhalten wollen und dass sie diese Vorgaben dann in der Satzung der GmbH aufnehmen.


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
31. Oktober 2023

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